MITTWOCH, 20.30 UHR

Henning und Santos waren seit sechs Minuten in Schönberg, gut fünfzig Meter von Bruhns' Haus entfernt. Sie saßen im Auto, hörten leise Musik und schwiegen. Sie waren nervös. Die Straße war nur schwach beleuchtet, die Fenster der meisten Häuser verdunkelt, kein Mensch hielt sich draußen auf. Seit dem Nachmittag regnete es fast unaufhörlich, so dass man sich am liebsten in den eigenen vier Wänden verkroch, die Heizung aufdrehte oder den Kamin anmachte. »Ob er schon im Haus ist?«

»Das werden wir gleich sehen. Komm!« Henning zog den Zündschlüssel ab.

Um Punkt halb neun stiegen sie aus und gingen auf das Haus zu. Das Tor war nur angelehnt, die Haustür ebenfalls. Ein schwacher Lichtschein drang aus dem Wohnbereich zu ihnen.

Als sie näher traten, sagte eine Stimme: »Wie schon gestern pünktlich auf die Minute. Willkommen.« Albertz kam ihnen entgegen und reichte erst Santos, dann Henning die Hand. »Nehmen Sie Platz, ich hoffe, Sie haben etwas Zeit mitgebracht.«

»Warum treffen wir uns ausgerechnet hier?«, fragte Santos, bevor sie sich setzte. Drei Gläser standen auf dem Tisch.

»Wie ich bereits sagte, hier sind wir garantiert ungestört. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Bruhns hat eine gutsortierte Bar. Einen Whiskey vielleicht? Sie würden mir einen großen Gefallen tun.« »Was soll das? Wird das ein gemütliches Beisammensein? Ein Plausch unter Freunden?«, fragte Henning mit kaum verhohlener Ironie.

»Das liegt ganz an Ihnen. Wir können auch hier und jetzt abbrechen und so tun, als wären wir uns nie begegnet. Ich bin da flexibel.« Kühl lächelnd musterte er Henning, dem bewusst wurde, dass er es mit einem Menschenkenner zu tun hatte, der sein Gegenüber in kürzester Zeit einzuschätzen vermochte.

»Wir nehmen einen Whiskey«, durchbrach Santos das Schweigen, »aber mit Eis, sofern welches da ist. Sonst Soda.«

Als wäre Albertz schon oft hier gewesen, öffnete er eine kleine Tür an der Bar und nickte. »Da ist auch Eis. Mal sehen, wir hätten hier einen Single Malt ... Noch nicht einmal angebrochen. Damit Sie mir auch trauen, öffnen Sie bitte die Flasche und schenken ein. Selbstverständlich werde ich meinen auch mit Eis trinken.« »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie uns vergiften wollen«, sagte Santos lächelnd. »Welchen Nutzen hätten Sie davon? Wir sind nur ein paar kleine Polizisten.« »Tun Sie mir trotzdem den Gefallen«, entgegnete Albertz und reichte Santos die Flasche und den Eiskübel. »Wie Sie wünschen.« Santos gab ein paar Eiswürfel in jedes Glas und schenkte ein, Albertz hob sein Glas und lächelte: »Cheers, auf einen gewiss sehr informativen Abend.«

»Cheers«, brummte Henning, ohne sein Misstrauen zu verbergen. Er trank sein Glas in einem Zug leer, Sekunden später durchzog ein wohlig warmes Gefühl seinen Körper.

»Ein exzellenter Tropfen«, sagte Albertz, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Ich denke, wir können beginnen, ich möchte Ihre Zeit auch nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Haben Sie sich schon mit Frankfurt in Verbindung gesetzt?« »Heute Nachmittag«, antwortete Santos knapp. »Welche Informationen haben Sie erhalten, wenn ich fragen darf?«

»Darf ich Ihnen zuerst eine andere Frage stellen?« Henning räusperte sich. »Wieso wollen Sie ausgerechnet mit uns sprechen, die wir doch mit den Fällen gar nichts mehr zu tun haben? Oder sollte ich sagen: kooperieren? Wir sind seit heute Nachmittag ganz offiziell dazu verdonnert, uns aus allem rauszuhalten, was mit Bruhns und Klein zu tun hat. Also, wieso wir?« »Das werde ich Ihnen gleich erklären«, erwiderte Albertz mit stoischer Ruhe.

»Sind Sie vom Verfassungsschutz? Ja oder nein?«, fragte Henning mit plötzlich aggressivem Unterton und beugte sich vor, ohne Albertz aus den Augen zu lassen. Albertz nickte ein paarmal, bevor er mit regungsloser Miene antwortete: »Ja und nein. Wieso stellen Sie mir diese Frage? Haben Sie recherchiert?« »Haben wir, und wir haben keinerlei Informationen über Sie bekommen. Mich würde sehr interessieren, was Sie mit >ja und nein< sagen wollen.«

»Wenn Sie mir die Gelegenheit geben, Ihnen einiges zu erläutern, werden sich manche Fragen von alleine beantworten. Darf ich, oder haben Sie noch etwas?« »Bitte, ich hoffe nur, wir sind nicht vergebens hier.« Albertz schenkte sich noch einen Whiskey ein. »Denken Sie jetzt bitte nicht, ich sei Alkoholiker, ich trinke in der Regel nur in Gesellschaft, und auch da nur wohldosiert. Und das mit den Joints gestern, ich habe ein paar kleine Macken, die ich mir einfach nicht abgewöhnen kann und will.«

»Sie sind uns keine Erklärung schuldig«, sagte Santos. »Es ist Ihr Leben.«

»Da haben Sie allerdings recht. Warum treffe ich mich mit Ihnen?« Albertz erwartete keine Antwort. »Um es kurz zu machen: Sie wurden mir als mutig, kämpferisch und loyal geschildert, Eigenschaften, die in dieser Kombination selten geworden sind. Glauben Sie mir, ich kann das beurteilen, ich bin schließlich lange genug in dem Geschäft und habe die Menschen kennengelernt ...«

»In welchem Geschäft?«

»In einem schmutzigen, ekligen, widerwärtigen Geschäft, in dem Sie niemals einkaufen möchten. Überall Ratten, Kot und Hinterhältigkeit. Ich habe Sie um dieses Treffen gebeten, um Ihnen ein wenig über dieses Geschäft und die Menschen, die es betreiben, zu berichten. Doch vorab beantworten Sie mir bitte meine Frage: Was haben Sie von den Frankfurtern erfahren?«

Santos stellte ihr Glas ab, Albertz erhob sich, nahm es, gab Eis hinein und goss Whiskey darüber. »Ich wollte eigentlich keinen mehr.« »Dann lassen Sie ihn stehen. Sie haben mir gestern übrigens sehr imponiert. Das mit dem Whiskey war ein Test,

den Sie mit Bravour bestanden haben. Ich wollte sehen, inwieweit Sie bereit sind, sich über Regeln hinwegzusetzen. Sie haben es getan und tun auch sonst alles, um Ihr Ziel zu erreichen. Ich hoffe nur, ich habe Sie damit nicht überfordert, mit dem Whiskey, meine ich?« »Nein, ich kann einiges vertragen«, log sie und verschwieg, dass sie den ganzen Nachmittag eine leichte Übelkeit verspürt hatte. »Der Mann, von dem Sie gestern sprachen, heißt Manfred Schumann, Immobilienmakler, Menschenhändler und Pädophiler. Seine Witwe heißt Sarah Schumann, sie wohnt immer noch in Frankfurt, hat aber auch ein Haus in Kiel. Mehr konnten wir nicht in Erfahrung bringen.«

»Eine kurze, knappe und überaus treffende Beschreibung von Schumann, es fehlt höchstens noch, dass er ein menschenverachtender Krimineller war sowie ein Baulöwe, der gerne mit den Behörden kooperiert hat. Mit wem haben Sie gesprochen?«

»Mit einer Kommissarin vom KU«, antwortete Santos zurückhaltend, ihre Skepsis und ihr Argwohn waren noch immer nicht gänzlich gewichen. »Mit Hauptkommissarin Durant?«, fragte er mit einem rätselhaften Lächeln.

»Ja, diesen Namen hatten Sie uns ja genannt.« »Sehr gut. Dann haben Sie vermutlich auch erfahren, dass Frau Durants Vorgesetzter in der Sache Schumann ermittelt hat?«

»So wurde es uns gesagt.«

»Frau Santos, ich bemühe mich, so offen wie möglich zu sein, dann seien Sie es bitte auch. Das gilt auch für Sie, Herr Henning. Was hat Frau Durant Ihnen über Schumann gesagt? Dass er eine große Nummer im Bereich Frauen- und Kinderhandel war?«

»Unter anderem. Und dass das Mädchen, das mit ihm erschossen wurde, zwischen zwölf und vierzehn Jahre alt war, gegenüber den Medien das Alter jedoch mit achtzehn bis zwanzig angegeben wurde, angeblich, weil Frau Schumann um ihren guten Ruf fürchtete, sollte die Wahrheit über ihren Mann ans Licht kommen ...« »Das ist richtig, aber nur zum Teil. Es hieß damals auch, dass sie nichts von den abnormen Neigungen und Aktivitäten ihres Gatten wusste, was aber nicht ganz zutrifft. Er war ein notorischer Fremdgänger, war sehr viel geschäftlich unterwegs und brauchte seine Frau lediglich als Vorzeigeobjekt. Sollten Sie sie je kennenlernen, werden Sie wissen, was ich meine, denn sie ist auch heute noch eine ausgesprochen schöne und attraktive Frau, obwohl sie bereits sechzig ist, was man ihr wahrlich nicht ansieht. Tatsache ist, dass sie hinter die Machenschaften ihres Mannes kam und beschloss, der Sache ein Ende zu setzen. Also machte sie sich auf die Suche nach jemandem, der ihren Mann beseitigte, denn sie konnte und wollte nicht länger zulassen, dass ihr Mann sich im Kinderhandel betätigte und Kinder missbrauchte.« Albertz nippte an seinem Whiskey und behielt das Glas in der Hand, sein Blick ging von Henning zu Santos. »Okay, Frau Schumann wusste von dem Treiben ihres Göttergatten. Warum ist sie nicht zur Polizei gegangen?« »Herr Henning, ich bitte Sie!«, lachte Albertz beinahe mitleidig auf. »Schumann war nicht nur schwerreich, sein größter Trumpf waren seine exzellenten Beziehungen, die bis nach Bonn und zu den höchsten Stellen vornehmlich im östlichen Ausland reichten. Er bewegte sich in einem rechtsfreien Raum, er genoss Narrenfreiheit, wie so viele in diesem Land, wobei die Zahl im Übrigen stetig zunimmt. Nicht nur hier, gehen Sie in irgendein anderes Land, Sie werden genau dasselbe vorfinden. Was glauben Sie, für wen die Kinder und Frauen bestimmt waren? Für Hinz und Kunz? Nein«, stieß er kopfschüttelnd hervor, »seine Abnehmer gehörten zur Creme de la Creme der Gesellschaft. Seine Frau hatte nicht die geringste Chance, zur Polizei zu gehen, weil das mit ziemlicher Sicherheit ihr Todesurteil bedeutet hätte. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass er ihr gegenüber auch gewalttätig wurde und sie außerdem große Angst um ihre Töchter hatte, die damals zehn und zwölf Jahre alt waren. Eine berechtigte Angst, wie ich Ihnen versichern darf ...« »Woher wissen Sie so viel über die Schumanns?« »Als Schumann und das junge Mädchen umgebracht wurden, war ich noch beim BKA in Wiesbaden, und zwar in einer Abteilung, die es offiziell gar nicht gab und auch heute noch nicht gibt. Nur wenige Eingeweihte wissen davon. Die Transparenz, die stets propagiert wurde und wird, existiert nicht und hat nie existiert. Wie auch immer, der Mord an Schumann brachte uns ins Spiel, wir durften nicht zulassen, dass zu viele pikante und kompromittierende Details an die Öffentlichkeit gelangten, dazu war Schumann eine viel zu wichtige Persönlichkeit. Also taten wir alles, um seinen und den Ruf seiner Familie zu schützen ...«

»Entschuldigung, das ist mir jetzt zu hoch«, fiel ihm Henning ins Wort. »Sie sagen, Sie waren beim BKA in einer Abteilung, die es nicht gibt. Da komme ich ja noch mit, aber was nach dem Mord passiert ist, das versteh ich nicht. Vielleicht bin ich auch zu naiv, ich bin eben nur ein einfacher Kommissar«, sagte er höhnisch. »Aber wenn wir einen Mordfall bearbeiten und den Täter kennen, dann verhaften wir ihn, er kommt vor Gericht und wird verurteilt. So läuft das doch, so habe ich es gelernt und ...«

»Herr Henning«, sagte Albertz und sah ihn wieder mit diesem mitleidigen Blick an, »Sie ermittelten vor etwa zwei Jahren in einem Fall, der nie von Ihnen gelöst wurde, weil man Sie permanent in die Irre geführt hat. Sie wissen, wovon ich spreche?« »Sicher. Aber woher wissen Sie das?« »Von der Person, die mich über Sie informiert hat und nur Gutes über Sie zu berichten wusste. Lassen Sie mich meine Ausführungen zu Ende bringen, es geht schließlich um den Fall Schumann und nicht um Ihre Vergangenheit, die ohnehin nicht mehr zu ändern ist«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ. »Wir kamen sehr schnell dahinter, dass Frau Schumann von den Mordabsichten wusste, und waren bald ziemlich sicher, dass sie den Mord sogar in Auftrag gegeben hatte. Doch sie hatte ein wasserdichtes Alibi, sie war zwei Tage vor dem Mord nach Südfrankreich geflogen und erhielt dort die Nachricht vom Ableben ihres Mannes. Nach ihrer Rückkehr zeigte sie sich sehr kooperativ, sie teilte uns mit, von den außerehelichen Aktivitäten ihres Mannes gewusst zu haben ...«

»Es tut mir leid«, wurde er erneut von Henning unterbrochen, »aber irgendwas an Ihrer Geschichte stimmt nicht. Sie waren beim BKA, und wann sind Sie beim Verfassungsschutz gelandet? Oder gehören Sie gar nicht zu der Truppe?«

»Doch, ich gehöre dazu. Ich kenne die Truppe in- und auswendig, die meisten der dortigen Mitarbeiter jedenfalls. Und um einer weiteren Frage von Ihnen zuvorzukommen, ich arbeitete damals sowohl für das BKA als auch für den Verfassungsschutz. So, ich denke, damit wäre Ihre Frage hinreichend beantwortet...« »Nein, nicht ganz. Ist Ihr Name Karl Albertz?«

»Das tut nichts zur Sache. Entweder lassen Sie mich jetzt ausreden, oder wir gehen wieder unserer eigenen Wege: Sie rennen gegen Gummiwände an, und ich gehe weiter meiner Arbeit nach, so wie ich das seit nunmehr dreiunddreißig Jahren tue. Was ist Ihnen lieber, endlich einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen oder weiter erfolglos Phantomen hinterherzujagen? Es ist Ihre Entscheidung«, sagte Albertz kühl. »Wir hören zu«, sagte Santos schnell und warf Henning einen mahnenden Blick zu.

»Gut. Schumann genoss eine besondere Protektion, die auch heute nur wenige genießen. Er durfte tun und lassen, was er wollte, ohne jemals fürchten zu müssen, dafür belangt zu werden. Der Grund hierfür war, dass Schumann unter anderem im Auftrag meiner Dienststellen handelte.« Er hob die Hand, als er merkte, dass Henning etwas einwerfen wollte, und fuhr sogleich fort: »Ich weiß, Sie würden jetzt am liebsten aufschreien und sagen, das kann nicht sein ...« Er fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen. »Es ist aber so. Es war damals so, und es ist auch heute noch so. Wobei es heute noch intensiver ist als Mitte der achtziger Jahre.« Er zog eine Zigarette aus seiner Hemdtasche, zündete sie an und nahm einen tiefen Zug. »Als Schumann ermordet wurde, war ich bereits seit über drei Jahren für ihn zuständig. Das heißt, ich kannte ihn, ich kannte seine Aktivitäten, ich kannte auch seine Frau Sarah und die beiden Töchter. Von Beginn an hat mich Frau Schumann fasziniert, sie ist eine außergewöhnliche Frau, die über einen langen Zeitraum mit ansehen musste, wie ihr Mann nicht nur sie, sondern auch viele andere Menschen auf das Schlimmste behandelt hat. Sie wurde von ihm des Öfteren misshandelt, und sie fürchtete, er könnte sich auch an den beiden Töchtern vergreifen, da sie um seine Neigungen wusste. Er war nicht wie ein großer Drogendealer, der andere mit Stoff versorgt, selbst aber nichts nimmt. Er hat Kinder und Frauen beschafft, und er war selbst pädophil, oder, um es anders auszudrücken, er bumste alles Weibliche zwischen zehn und zwanzig, sofern die Mädchen und Frauen seinem Geschmack entsprachen. Er genoss es, sich mit Mädchen zwischen zehn und vierzehn zu vergnügen. Er war ein verkommenes, gewissenloses Subjekt, und er wurde gedeckt, unter anderem von mir. Nebenbei liefen seine dubiosen Immobilien- und Grundstücksgeschäfte hervorragend, seine Bautätigkeiten sowieso, nun, er war ja auch schon seit 1957 in der Branche tätig. Fahren Sie nach Frankfurt, über die Hälfte des heutigen Rotlichtviertels befand sich in seiner Hand, dazu kamen bis Mitte der sechziger Jahre ganze Straßenzüge in den besten Lagen, die auch heute noch nur von Reichen und Superreichen bewohnt werden. Alles, was er anfasste, wurde zu Gold. Ende der sechziger Jahre lernte er seine zukünftige Frau kennen, sie heirateten, 1972 wurde die erste Tochter geboren, zwei Jahre darauf die zweite. Die Ehehölle begann schon vor der Hochzeit. Sie wollte ihn nicht heiraten, aber er setzte sie massiv unter Druck ...«

»Sie hätte doch ganz einfach nein sagen können«, warf Henning ein.

»Herr Henning, wenn einer wie Schumann kommt und Druck ausübt, dann haben Sie nicht den Hauch einer Chance. Sarah Schumanns Vater war ein hochgestellter Finanzbeamter mit Doktortitel, die Mutter Hausfrau, und dennoch lebten sie eher bescheiden. Schumann drohte ihr: Sollte sie sich weigern, ihn zu heiraten, würde er sie umbringen. Auch ihre Eltern wagten es nicht, sich gegen einen wie ihn aufzulehnen, da der Vater sehr wohl wusste, mit wem er es zu tun hatte. Also gab sie nach. Die folgenden Jahre wurden zu einem einzigen Martyrium, dem sie nicht entfliehen konnte, da die Gesetze damals noch anders waren als heute. Sie hätte auch keine Möglichkeit gehabt, sich mit den Kindern abzusetzen, Schumann hatte seine Schergen überall. Ich denke, damit habe ich Ihnen einen kleinen Einblick in eine große Tragödie gegeben.«

Er hielt erneut inne, rauchte seine Zigarette zu Ende und drückte sie aus. Er trank von seinem Whiskey. »Hatten Sie sich in Frau Schumann verliebt?«, wollte Santos aus einem Gefühl heraus wissen. Albertz lachte leise auf und nickte. »Oh ja, ich hatte mich in sie verliebt. Ich dachte immerzu, diese Frau ist einmalig, so wunderschön, so intelligent, dazu dieser Charme und dieses Charisma, aber ich wusste, es würde nie eine Zukunft für uns geben. Das ist meine ganz persönliche Tragödie, die ich bis heute nicht verwunden habe. Eines Tages jedenfalls beschloss sie in ihrer Verzweiflung, sich ihres Mannes zu entledigen, weil sie, wie bereits erwähnt, panische Angst hatte, er könnte sich an den Töchtern vergreifen. Sie hat mit mir nicht darüber gesprochen, wir hatten uns ja auch nur ein paarmal gesehen, zu selten, als dass sie Vertrauen zu mir hätte schöpfen können. Am 17. Oktober 1984 wurde ihr Mann erschossen. Wir konnten direkt nach der Polizei und der Staatsanwaltschaft mit ihr sprechen. Für meinen Partner war die Sache damit abgehakt, ich aber ging noch einmal allein zu ihr. Da beging ich den Fehler meines Lebens, sonst hätten wir vielleicht doch eine Chance gehabt. Ich sagte ihr, ich wisse, dass sie hinter dem Tod ihres Mannes stecke und sie mir ruhig die Wahrheit sagen könne, ansonsten ...«

Als er nicht weitersprach, fragte Santos nach: »Ansonsten was?«

»Ansonsten hätten wir alle Mittel, sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter zu bringen, und sie würde ihre Töchter niemals wiedersehen. Ich könnte mich noch heute ohrfeigen für das, was ich damals zu ihr gesagt habe. Ich begreife selbst nicht, warum ich so hart zu ihr war, ich liebte sie und tat ihr so weh. Ich sagte ihr auf den Kopf zu, dass sie jemanden engagiert habe, um ihren Mann beseitigen zu lassen. Ich sagte ihr auch, dass dieser Jemand hervorragende Arbeit geleistet habe und wir dringend einen solchen Mann suchten. Wissen Sie, was sie antwortete? Sie sagte lapidar: Ja, ich habe meinen Mann umbringen lassen. Sie dürfen mich jetzt verhaften.« Albertz seufzte auf. »Mein Gott, ich hatte niemals vor, sie zu verhaften, ich weiß nicht, was mich geritten hat, sie so in die Enge zu treiben. Ich hatte doch keinerlei Interesse daran, sie ins Gefängnis zu bringen, im Gegenteil, ich war ja froh, dass dieses Schwein endlich tot war. Aber nun war es zu spät, und hätte ich jemals die Möglichkeit gehabt, mit ihr zusammenzukommen, sie war vertan. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich alles verspielt. Nun, ich will nicht jammern, das steht mir nicht zu, wahrscheinlich wären wir so oder so nie ... Gut, abgehakt. Ich fragte sie nach dem Namen des Mannes, der so perfekt arbeitet. Doch sie verschloss sich wie eine Auster. Ich bedrängte sie, ich sagte ihr mehrfach, dass wir einen wie ihn dringend brauchen könnten. Schließlich machte sie mir einen Vorschlag: Sie würde mit dem Killer Kontakt aufnehmen, aber seine Identität niemals preisgeben. Niemals. Sie hat ihr Wort gehalten, ich kenne bis heute weder seinen Namen noch seinen Aufenthaltsort, ich weiß nichts über ihn. Über alles, was in den darauffolgenden Jahren passierte, weiß ausschließlich Sarah Bescheid. Sie hat die Kontakte geknüpft, später, als das Internet aufkam, gab sie mir seine E-Mail-Adresse, aber sosehr ich und meine Kollegen uns auch bemüht haben, uns ist es nie gelungen, seine Identität zu lüften. Wir wissen nur, dass er viele Zwischenstationen geschaltet hat, die im Sekundentakt wechseln, wir gehen von achtzig bis hundert aus, und das ist einfach zu viel, um diese Stationen innerhalb von ein oder zwei Minuten bis zum Empfänger nachzuverfolgen, und das, obwohl wir mit den modernsten Rechnern arbeiten ...«

»Warum erzählen Sie uns das alles?«, fragte Santos, nachdem Albertz aufgestanden war und ihnen den Rücken zugewandt hatte. Sie flüsterte Henning zu: »Lass mich mal machen«, und stand ebenfalls auf. »Warum ich Ihnen das erzähle? Ich weiß es nicht. Ich habe noch nie darüber gesprochen, mit niemandem. Danach lebte ich nur noch für meine Arbeit. Ich war auch nie verheiratet. Aber irgendwann musste ich mit jemandem darüber reden. Sie sind die Ersten.« »Weiß Frau Schumann von Ihren Gefühlen?« »Was spielt das für eine Rolle? Vielleicht, vielleicht auch nicht, es ist müßig, darüber zu spekulieren, es ist eine Ewigkeit vergangen seitdem. Lassen Sie uns jetzt bitte nicht mehr darüber sprechen.« Er wandte sich zu ihr um und fuhr fort: »Das Thema Sarah Schumann ist abgehakt. Kommen wir zum Wesentlichen. Wir waren damals tatsächlich auf der Suche nach einem Mann für alle Fälle. Es musste jemand sein, der unauffällig und lautlos tötete. Er sollte jung und kaltblütig sein und jeden Auftrag annehmen. Ich hatte ihn gefunden. Ich tischte meinem Vorgesetzten eine hanebüchene Story auf, die zu lang wäre, sie jetzt wiederzugeben, aber ich habe Sarah Schumann rausgehalten, das war ich ihr schuldig. Jedenfalls arbeitet dieser Auftragskiller seit Anfang 1985 für uns.« »Aber welche Relevanz hat das für die Fälle Bruhns und Klein? Sie haben doch von Klein gehört, oder?« »Ja, ja, ein übler Bursche, nach außen seriös, innen verrottet bis ins Mark. Bis 1991 lebte er in Frankfurt, dann kam er nach Kiel. Den Rest brauche ich Ihnen nicht zu erzählen, das haben Sie längst herausgefunden. Er hat im Prinzip das fortgeführt, was Schumann begonnen hatte. Nach Schumanns Tod organisierte er die Transporte, verlagerte schließlich seinen Wohnsitz nach Kiel und übernahm die Spedition Drexler. Er hatte sich einige Zeit vorher mit dem alten Drexler angefreundet, und da er über Erfahrung im Speditionsgewerbe verfügte, entschloss sich Drexler, nicht seinem etwas labilen Sohn, sondern Klein die Firma zu überschreiben. Drexler junior war natürlich alles andere als erfreut und wollte gegen Klein vor Gericht ziehen, doch bevor es zur Verhandlung kam, verunglückte er tödlich. Das Fahrzeug wurde nie kriminaltechnisch untersucht, das konnten wir verhindern. Bitte, ersparen Sie mir Ihre Vorwürfe, die habe ich mir selbst schon reichlich gemacht. Ich war und bin eingebunden in einen Apparat, in dem man bedingungslos zu gehorchen und zu funktionieren hat, und irgendwann hinterfragt man die Dinge, die einem aufgetragen werden, nicht mehr.«

»Moment, wenn ich Sie recht verstanden habe, kannten Schumann und Klein sich?«, fragte Henning, ohne auf Albertz' letzte Bemerkung einzugehen. »Ja. Sie waren wie Vater und Sohn, und sie hatten die gleichen Neigungen. Merken Sie allmählich, worauf ich hinauswill?«

»Noch nicht ganz.«

»Dann kommen wir zum Kern des Ganzen. Schumann, Bruhns und Klein hatten eines gemeinsam - sie waren Verbrecher auf höchster Ebene, sprich, sie waren unantastbar. Ihre Opfer waren vornehmlich Kinder und Frauen. Bruhns war ein Mittelsmann, der aufgrund seiner Popularität einen riesigen Bekanntenkreis hatte. Im Laufe der Jahre konnte er immer mehr Männer mit den gleichen perversen Neigungen für, wie er es nannte, Kinderprojekte gewinnen. Was damit gemeint war, brauche ich Ihnen wohl nicht näher zu erläutern. Es wurden mehr und mehr. Sie glauben gar nicht, wie viele Pädophile und Päderasten es in diesem Land gibt! Aber Bruhns wurde zu einem Risikofaktor, nachdem er im vergangenen Jahr ein elfjähriges Mädchen nicht nur missbraucht, sondern auch ermordet hat ...«

»Woher wissen Sie, dass sie elf war?« »Ich weiß es, das muss Ihnen genügen. Darf ich fortfahren?«

»Sicher, aber Sie haben es zugelassen, dass ...« »Ich weiß, und es tut mir unendlich leid. Er hat behauptet, die Kleine wäre unglücklich gestürzt, als sie wegrennen wollte, doch die Obduktion ergab etwas anderes, den Bericht von Professor Jürgens kennen Sie. Er hat zwar bestritten, sie misshandelt zu haben, doch die Beweise waren eindeutig. Nun, er war einer unserer besten Männer ...«

Henning sprang auf und hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. »Habe ich das richtig verstanden, Bruhns war einer Ihrer besten Männer? Ein Mörder? In was für einem Film bin ich hier eigentlich? Sagen Sie, dass das nicht wahr ist. Los, sagen Sie's!«

»Tut mir leid, Herr Henning, aber es ist wahr. Wenn Sie mir weiter zuhören, werden Sie auch begreifen, worum es geht. Klar, Sie sehen nur den Mörder Bruhns, doch es steckt viel, viel mehr dahinter ... Seit dem Vorfall im März vergangenen Jahres stand er unter ständiger Beobachtung, denn Bruhns war nicht der starke Mann, den er im Fernsehen spielte, ganz im Gegenteil, er war eher von der labilen Truppe. Dennoch war er wertvoll für das Geschäft. Bis er vor vier Wochen erneut zuschlug, und wieder handelte es sich um ein Mädchen, zwölf Jahre alt. Sie wurde fachgerecht entsorgt, aber damit war Bruhns natürlich erledigt. Er hatte sich offensichtlich nicht mehr unter Kontrolle, ganz im Gegensatz zu Klein, der seine Geschäfte mit stoischer Ruhe abwickelte. Er handelte mit Menschen wie mit Bananen. Wenn er jemanden beseitigte, dann unauffällig und nur vor Zeugen, die ohnehin niemals plaudern würden, da sie selbst alle Dreck am Stecken hatten. Nun sind beide tot, inklusive Kleins Leibwächter. Bruhns sollte eigentlich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, man hatte vor, seinen Hubschrauber zu manipulieren. Jemand ist der Organisation zuvorgekommen. Jetzt fragen sich natürlich alle, wer da noch mitspielt.«

»Wieso sind Sie niemals ausgestiegen?«, wollte Santos wissen.

»Auf meiner Ebene steigt man nicht aus, da wartet man, bis das Pensionsalter erreicht ist, begibt sich in den wohlverdienten Ruhestand und hält die Klappe. Wer vorher aussteigt, macht sich verdächtig, und wer sich verdächtig macht, wird beseitigt. Es gibt keinen anderen Weg.« »Ich glaube, ich brauche doch noch was zu trinken.« Henning schenkte sich ein und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter.

»Glauben Sie mir, ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich Ihnen das alles sagen soll, und ich habe mich letztendlich schweren Herzens dafür entschieden. Glauben Sie mir bitte auch, dass ich erst vor etwa zehn, zwölf Jahren so richtig begriffen habe, in welchem Saustall ich arbeite.«

»Warum? Ich begreife nicht, warum Organisationen, die für die Sicherheit unseres Landes zuständig sind, in verbrecherische Aktivitäten verwickelt sind. Ich krieg das nicht in meinen Kopf«, stieß Henning hervor. »Sie werden es gleich besser verstehen. Es geht ausschließlich um zwei Dinge - um Geld und Macht. Wenn ich von Geld spreche, dann nicht von hunderttausend oder einer Million Euro, nein, es geht um Milliarden oder Billionen, die genaue Zahl weiß niemand. Deutschland ist ein ganz wesentlicher Puzzlestein im Weltspiel, wir stehen mit an der Spitze der Global Players. Ohne uns läuft gar nichts. Ohne uns sind die Amis aufgeschmissen, auch die Russen und Chinesen. Andersherum läuft auch ohne die nichts, es ist wie eine Vielzahl von Zahnrädern, die ineinandergreifen und das Uhrwerk am Laufen halten. Politische Scharmützel sollten nicht zu ernst genommen werden, sie wecken allenfalls das Medieninteresse und sollen dem Volk zeigen, schaut her, wir tun was für euch, wir mahnen die Russen, Amis, Chinesen oder wen auch immer ab. In Wahrheit ist alles nur ein Spiel. Ein Beispiel: Schumann begann schon in den siebziger Jahren, Frauen und Kinder aus dem Osten in den Westen zu bringen. Damals gab es noch den Eisernen Vorhang, aber gegen Devisen hat er und haben wir von den Russen alles bekommen. Nach dem Fall der Mauer boomte das Geschäft dann richtig und tut es bis heute. Es ist ein Geben und Nehmen auf höchster Ebene, da, wo sich niemand weh tut, weil sie alle ein und dasselbe Ziel verfolgen - Macht und Geld.« »Wollen Sie damit andeuten, dass wir machtlos sind?«

»Wen meinen Sie mit >wir<? Wenn Sie sich und mich meinen, lautet die Antwort ja, wenn Sie jedoch Leute wie Schumann oder Klein meinen, die durften tun und lassen, was sie wollten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, der Tod von Klein hat die Organisation bis ins Mark getroffen, für die gilt es jetzt, ganz schnell einen adäquaten Ersatz zu finden. Und Kleins Mörder muss eliminiert werden. Ich glaube jedoch, die werden ihn nicht kriegen.« »Was macht Sie da so sicher?«, fragte Henning. »Weil es sich meines Erachtens um das sogenannte Phantom handelt. Mir ist nur sein Motiv ein Rätsel. Was hat ihn dazu gebracht, Bruhns und Klein umzubringen? Er hat nie einen entsprechenden Auftrag erhalten, und doch bin ich mir zu hundert Prozent sicher, dass er die Morde begangen hat. Aber wie gesagt, das Motiv, ich steige nicht hinter sein Motiv. Irgendetwas muss ihn umgedreht haben, oder er hat die wahren Strukturen begriffen und nimmt sich jetzt jene vor, von denen er sich vielleicht hintergangen fühlt ... Nein, vergessen Sie das wieder, es gibt nach meinem Dafürhalten nichts, was ihn und seine Opfer verbindet.«

»Fragen Sie doch Frau Schumann«, bemerkte Henning sarkastisch. »Sie hat bestimmt eine Antwort darauf.« »Möglich, ich habe aber leider keinen Kontakt mehr zu ihr.«

»Wie schade. Soll ich Ihnen ihre Adresse geben?« »Nein danke, die habe ich selbst. Eine Frage noch zum Abschluss. Wann waren Sie das letzte Mal auf einem Rock- oder Popkonzert? Oder stehen Sie eher auf Klassik oder Schlager?« »Vor ein paar Monaten. Wieso?«

»Ich könnte Ihnen jetzt, ohne nachzudenken, zwanzig berühmte nationale und internationale Stars nennen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, für die Rechte der Kinder kämpfen, Kindesmissbrauch anprangern und, und, und ... Diese Stars lassen sich nach ihren Auftritten Kinder bringen oder Zwangsprostituierte. Das ist die Verlogenheit und Heuchelei der Großen dieser Welt. Ich könnte Ihnen genauso gut zwanzig Politiker und Wirtschaftsbosse nennen, die nur einen hochkriegen, wenn sie Macht über ein Kind oder eine verängstigte Frau ausüben können. In der Öffentlichkeit spielen sie die Moralapostel und Unschuldslämmer, die nie etwas Unrechtes tun würden ... Glauben Sie mir, ich habe sie alle kennengelernt, und ich habe eins begriffen: Jeder, dem Macht über andere gegeben wurde, hat den Boden unter den Füßen verloren. Politiker, Finanzjongleure, sie alle aufzuzählen würde zu weit führen. Sie wissen gar nicht mehr, wie sich der Boden anfühlt, auf dem sie selbst einmal gegangen sind.« Santos hatte sich wieder gesetzt. »Herr Albertz, Sie haben uns jetzt sehr viele Informationen über Bruhns und Klein gegeben. Was können Sie uns über Kerstin Steinbauer sagen?«

Albertz wirkte mit einem Mal müde und ausgelaugt, als er nickte und antwortete: »Gut, dass Sie mich nach ihr fragen. Sie war seit etwa anderthalb Jahren für die Organisation tätig. Bruhns hat sie angeschleppt, eine sehr attraktive junge Dame, die sich jedoch alles andere als damenhaft verhalten hat, auch wenn sie über ausgezeichnete Umgangsformen verfügte. Aus dem Waisenhaus direkt in ein Luxusapartment, eine steile Karriere. Natürlich ging das nicht ohne Gegenleistung. Die bestand darin, Kinder und Jugendliche zu beschaffen. Sie hatte ein offenes, einnehmendes Wesen, sie sah blendend aus, und sie war nicht auf den Mund gefallen. Sie konnte sich blitzschnell jeder Situation anpassen. Sie hatte im Prinzip alle Eigenschaften, die jemand mitbringen musste, um für die Organisation von Nutzen zu sein.« »Sie kannten sie persönlich?«

»Ja. Kein Außenstehender hätte jemals vermutet, dass in diesem prachtvollen jungen Körper ein solch verdorbener Geist wohnen könnte. Sie wollte mit allen Mitteln nach oben, und sie hätte es beinahe geschafft. Sie hat eine Menge Minderjährige rekrutiert, wenn ich das so sagen darf, die meisten davon waren deutsche Kinder aus zerrütteten Familien, Kinder, die in sozialen Brennpunkten leben und so weiter ...«

»Wie hat sie die Kinder >rekrutiert<?«, wollte Santos wissen.

»Sie war ein wunderhübscher Teufel. Sie hat so getan, als würde sie sich um die Kinder kümmern, sie hat ihnen Versprechungen gemacht, sie gelockt wie die Hexe in >Hänsel und Gretel<, sie ist mit ihnen zu McDonald's gegangen, hat ihnen hier und da einen Euro zugesteckt, ihnen Geschenke gemacht, eben all das, was diese Kinder zu Hause nicht bekamen. Wie sollen diese armen Kreaturen wissen, dass sie manipuliert werden? Wie im Musikgeschäft hat Bruhns auch hier ein feines Naschen bewiesen. Er hat die Steinbauer kennengelernt, sofort ihre Qualitäten entdeckt und sie für die Organisation gewonnen. Sie wurde für ihre Dienste fürstlich entlohnt, aber das wissen Sie ja bereits. Wenn Sie mich fragen, hat sie den Tod verdient, denn ich mag mir nicht vorstellen, was aus ihr geworden wäre in fünf oder zehn Jahren.« »Wenn ich das so höre, frage ich mich, wem man noch trauen kann.«

»Frau Santos, es sind nicht alle schlecht, das gilt sowohl für meinen jetzigen Arbeitgeber als auch für das BKA, alle LKAs und so weiter. Die meisten Beamten dort machen einen guten Job, aber die wenigen schwarzen Schafe haben die Macht. Begehen Sie jetzt bloß nicht den Fehler, allen zu misstrauen.«

Albertz blickte auf die Uhr. »Ich denke, alles Wichtige ist gesagt. Oder haben Sie noch Fragen?« »Ja, haben wir«, sagte Henning. »Erklären Sie uns noch die Strukturen. Ich will wissen, wie es beim Verfassungsschutz, beim BKA und anderen Ämtern aussieht. Wenn es mir einer erklären kann, dann Sie. Haben Sie den Mut?« »Herr Henning, ich habe die ganze Zeit über Mut bewiesen, allein schon, als ich Kontakt mit Ihnen aufnahm. Ich habe mit dieser Frage gerechnet. Die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist, den Staat zu schützen und Schaden von ihm abzuwenden. Wir unterwandern die rechtsextreme Szene und beobachten deren Aktivitäten, wir bespitzeln bestimmte sogenannte religiöse Gruppierungen, auch Linksextremismus ist ein Thema, Ausländerextremismus, Spionageabwehr und so weiter. Aber wir sorgen auch dafür, dass unsere in- und ausländischen Freunde zufrieden sind.« Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr. »Und jetzt hören Sie sehr gut zu. Diese Zufriedenheit gewährleisten wir über Geschenke. Wie bereits erwähnt, ist es ein Geben und Nehmen. Wir geben ihnen Informationen und Devisen, wobei ich über die Informationen nicht sprechen möchte. Die Devisen bekommen sie unter anderem, indem wir deren Öl oder Aluminium oder andere Rohstoffe kaufen, aber auch Menschen. Nehmen wir die Russen. Der von ihnen propagierte Wohlstand existiert nicht, er hat nie existiert, es ist nach wie vor nur eine Elitegruppe, die sich alles leisten kann. Der Großteil der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Es gibt unzählige Familien, die ihre Kinder nicht mehr ernähren können und froh sind, wenn sie eins oder zwei dieser Kinder loswerden. Wir kaufen sie und verschachern sie an Leute, die auf Kinder stehen. Natürlich läuft das nicht unter dem Namen des Verfassungsschutzes, wie Sie sich denken können. Wir haben unsere Leute auf allen Ebenen, dazu zählten unter anderem Klein, Steinbauer und Bruhns. Wir holen uns aber auch Studentinnen, denen ein sorgloses Leben im Westen versprochen wird ...« »Das ist uns bekannt«, sagte Santos. »Stimmt, ich habe schon wieder vergessen, dass Sie mit einem solchen Fall zu tun hatten. Das wird alles unter strengster Geheimhaltung durchgeführt, nur ganz wenige sind eingeweiht. Natürlich arbeiten wir auch mit den zuständigen Behörden in den jeweiligen Ländern zusammen. Wir haben das Geld, die haben die Ware für unsere anspruchsvollen Kunden. Deutschland ist einer der wichtigsten Plätze für die großen wirtschaftlichen Transaktionen.«

»Das heißt im Klartext, Deutschland als einer der großen Wirtschaftsstandorte muss, um seine Waren loszuwerden, ein paar Gefälligkeiten drauflegen. Habe ich das richtig verstanden?«

»Genau so ist es. Es geht aber nicht nur um ausländische Kunden, sondern auch um deutsche. Man trifft sich zur Abwicklung eines Geschäfts in einem Hotel, und nach dem Meeting beginnt der vergnügliche Teil. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Kinder an jedem Tag in diesem Land missbraucht werden. Es gibt eine offizielle Zahl und eine inoffizielle. Letztere stimmt.« Henning fuhr sich mit einer Hand übers Kinn, sein Blick ging ins Leere, als er fortfuhr: »Kennen Sie Friedmann und Müller vom LKA?«

»Was für eine Frage, die beiden arbeiten seit etwa zehn Jahren für uns.«

»In wessen Auftrag haben sie Weidrich umgelegt?« »Das war eine ziemlich dumme Frage, und das wissen Sie auch«, war die knappe Antwort. »Stimmt, Sie haben recht. Was sind das für Typen?« »Friedmann und Müller sind sogenannte Sklaven. Sie erledigen gegen gutes Geld jede Drecksarbeit. Sie werden nicht reich davon, das ist auch nicht beabsichtigt, denn wir behandeln sie wie Hunde, die hinter einer Wurst herrennen, die an einem Stock befestigt ist. Die Hunde wissen aber nicht, dass sie die Wurst nie bekommen werden, und sie rennen und rennen und rennen. Solche Typen sind Friedmann und Müller. Gehorsam und somit extrem gefährlich. Sie sind wie Pitbulls, die man darauf abgerichtet hat, nur auf das Wort ihres Herrchens zu hören. Sie führen jeden Befehl aus, ohne ihn zu hinterfragen. Oder vergleichen Sie sie mit Giftschlangen, die zubeißen und ihr tödliches Gift injizieren. Wenn Sie sie unschädlich machen wollen, müssen Sie sie töten. Ich warne Sie, die beiden sind sehr wachsam und nicht unintelligent, ganz im Gegenteil. Sie haben eine hervorragende Ausbildung genossen, sowohl hier als auch in Israel.« »Meine Kollegin hat ebenfalls eine exzellente Ausbildung genossen«, sagte Henning. »Sich mit ihr anzulegen kann für jeden gefährlich sein.«

»Ich weiß. Das ist mit ein Grund, warum ich mich bereit erklärt hatte, mit Ihnen zu sprechen. Falls überhaupt jemand Friedmann und Müller unschädlich machen kann, dann Sie.«

»Heißt das, wir sollen die beiden beseitigen?«, fragte Henning entsetzt.

»Es liegt an Ihnen. Haben Sie den Mumm?«

»Das hat doch nichts mit Mumm zu tun, sondern mit dem, was wir ...«

»Mein Gott, ich kenne diese Leier in- und auswendig. Sie haben einen Eid abgelegt, aber das haben Friedmann und Müller auch. Wenn sie nicht gestoppt werden, werden sie weiter wie dressierte Pitbulls sein. Ich verrate Ihnen jetzt etwas, was nur wenige wissen: Friedmann und Müller gehören zu den wichtigsten Personen im äußeren Kreis. Meines Wissens haben sie in den letzten zehn Jahren mindestens dreißig Morde begangen. Das ist weit mehr, als die meisten Serienkiller aufweisen. Sie sind gewissenlose Roboter, die jeden noch so dreckigen Auftrag ausführen. Denken Sie nach und geben Sie mir innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden Nachricht.« »Was meinen Sie mit >äußerer Kreis<?«, fragte Santos. »Und woher wissen wir, dass Sie die Wahrheit sagen?« »Auf das mit dem äußeren Kreis komme ich noch zurück, lassen Sie mich zunächst Ihre zweite Frage beantworten. Ich habe Ihnen einige Unterlagen mitgebracht, die eindeutiger nicht sein könnten.« Er zog eine Aktentasche hinter dem Sessel hervor, entnahm eine dicke Mappe und breitete den Inhalt auf der Glasplatte aus. Das meiste waren Fotos.

»Hier, das ist eine junge Frau aus der Ukraine. Sie war unter anderem für uns tätig, aber als sie aufgefordert wurde, jemanden zu liquidieren, zog sie sich zurück. Es wurde auf sie eingeredet, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken, doch sie blieb dabei, sie wollte partout aussteigen. Sie wurde zu einem Risiko, also wurden Friedmann und Müller beauftragt, sie zu beseitigen. Nach jedem Mord machten sie Fotos, um zu beweisen, dass sie den Auftrag auch wirklich erledigt hatten. Hier, sehen Sie selbst«, sagte er und legte alle Fotos nebeneinander, nur das von Weidrich fehlte.

Schweigend betrachteten Henning und Santos die Fotos, die allesamt tote Menschen zeigten, etwa ein Drittel davon Frauen.

»Die wurden alle von Friedmann und Müller umgebracht?«, fragte Henning fassungslos, erhob sich und stützte sich auf den Tisch. Er sah Albertz mit dem Blick eines zornigen Stiers an, es war, als wollte er sich gleich auf ihn stürzen.

»Ja«, war die knappe Antwort. Albertz hielt dem Blick stand und rührte sich nicht einen Millimeter von der Stelle, Hennings Drohgebärde flößte ihm keine Angst ein. »Wieso wurden die nie zur Rechenschaft gezogen?«, schrie Henning.

»Weil wir es nicht wollten«, war die gelassene Antwort. »Na wunderbar! Da laufen ein paar kaltblütige Killer herum, die auch noch bei der Polizei arbeiten. Wie schäbig! Mein Gott, in was für einem Land leben wir eigentlich?«

»Ich kann Ihre Wut verstehen«, sagte Albertz ruhig, »aber ich versichere Ihnen, ich bin nicht derjenige, der die Morde in Auftrag gegeben hat.«

»Das ist mir scheißegal, ob Sie oder jemand anderes die Morde in Auftrag gegeben haben! Und nein, Sie können meine Wut nicht im Geringsten verstehen, nicht im Geringsten! Aber ich habe einen Eid abgelegt, und an den halte ich mich auch ...«

»Ich weiß, ich weiß, ich weiß, ich weiß. Sie gehören zu den Guten. Aber was ist mit den Bösen? Schauen Sie weg oder sagen Sie, ich werde alles tun, damit sie keinen weiteren Schaden anrichten? Was bedeutet Ihnen dieser Eid?« »Alles schön und gut. Nein«, verbesserte sich Henning, »weder schön noch gut. Das ist eine Riesensauerei. Ich habe Sie das gestern schon gefragt: Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren?«

Albertz trank einen Schluck und blickte in den kleinen Rest der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in seinem Glas. »Gar nicht. Ich werde Ihnen auch keine Erklärung abliefern, es wäre unnütz. Die Vergangenheit lässt sich nicht rückgängig machen, aber wir können versuchen, die Gegenwart und die Zukunft zu beeinflussen. Was immer geschehen ist, ist geschehen, und ich wünschte mir, ich wäre nie beteiligt gewesen. Bitte glauben Sie mir das. Jetzt wünsche ich mir, dass ein paar der Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.«

»Wer sind denn die Verantwortlichen?«, fragte Santos. »Sie etwa nicht?«

»Wenn die Frage lautet, ob ich je einen Mord in Auftrag gegeben habe, dann wiederhole ich es gerne: nein. Verantwortlich zeichnet auch nicht Sarah Schumann oder der ominöse Auftragskiller, es sind ganz andere. Unter anderem Bernhard Freier. Oder die Innenminister der vergangenen fünfundzwanzig Jahre, Klause, Wehmeier, Christensen, um nur ein paar zu nennen. Ich sage Ihnen, Frau Schumann hat der Welt einen großen Dienst erwiesen, indem sie ihren Mann beseitigen ließ, denn er war ein Mörder, Kinderhändler und Kinderschänder ...« »Und dann kam Klein«, konnte sich Santos nicht verkneifen zu sagen.

»Ja, Sie haben recht, dann kam Klein. Ich habe Frau Schumann gedrängt, mir den Namen des Mannes zu nennen, der ihren Mann getötet hat, aber sie hat sich beharrlich geweigert. Sie hat sich jedoch bereit erklärt, mit uns zu kooperieren.« Albertz lachte trocken auf. »Frau Schumann ist unvergleichlich. Sie ist stolz, nicht einmal unter Folter hätte sie den Namen des Mörders preisgegeben. Ich wusste das und wandte deshalb eine andere Taktik an. Seit Anfang der neunziger Jahre können wir über das Internet Kontakt zu ihm aufnehmen, aber wir wissen nach wie vor nicht, wer er ist und wo er sich aufhält, das heißt, wir kennen sein Gesicht nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass er Bruhns und Klein liquidiert hat, denn bei Bruhns hat er sein Markenzeichen hinterlassen, die DNA. Seit zehn Jahren spielt er dieses Spiel, und wir haben keine Ahnung, wem diese DNA zuzuordnen ist. Die einzige, wenn auch sehr unwahrscheinliche Theorie ist, dass es sich bei dem Täter um eine Frau handelt, was ich und auch meine ehemaligen und jetzigen Kollegen jedoch ausschließen, dazu ist das Vorgehen zu ... männlich. Außerdem wendet er unterschiedliche Tötungsarten an, die zum Teil eine größere Kraftanstrengung erfordern. Wir haben ein Profil erstellt und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass der Täter sehr kräftig und durchtrainiert sein muss. Zudem hat Frau Schumann ja selbst gesagt, dass es sich um einen Mann handelt, und ich zweifle nicht an dieser Aussage.«

»Verstehen Sie mich nicht falsch, aber da draußen läuft ein Auftragskiller herum, der viele Menschen umgebracht hat. Mord bleibt für mich immer noch Mord, und ein solcher Killer gehört für den Rest seines Lebens eingesperrt«, sagte Santos.

»Ja, aber machen wir doch bitte einen Unterschied. Unser Mann ist ein Auftragskiller, daran ist nicht zu rütteln. Doch er hat meines Wissens nur Personen liquidiert, die selbst einen oder mehrere Morde in Auftrag gegeben haben. Er ist kein Killer, der aus einem Trieb oder niederen Beweggründen heraus handelt. Ihm geht es nicht um Neid, Eifersucht, Gier, es ist für ihn ein Job, den er seit fünfundzwanzig Jahren erledigt.«

»Er ist ein Gutmensch, der die Menschheit vom Abschaum befreit«, bemerkte Henning höhnisch und ballte die Fäuste, als wollte er sie Albertz ins Gesicht schlagen.

»Ich wiederhole mich, ich kann Ihre Wut nachvollziehen, denn auch ich bin wütend, allerdings aus anderen Gründen, nämlich weil wir alle ein paar Mächtigen ausgeliefert sind, die uns wie Marionetten bewegen. Ich trage diese Wut seit vielen, vielen Jahren mit mir herum und kann sie doch nicht rauslassen. Ich bin nicht wütend auf das Phantom, denn auch er ist nur eine Marionette, ohne es zu wissen. Allerdings wird er hervorragend entlohnt und hat gewiss ein paar Millionen auf dem Konto. Wie ich schon sagte, ich kenne den Mann nicht persönlich, aber ich kenne seine Vorgehensweise. Glauben Sie mir, er ist ein Vollprofi.«

»Nennen Sie mir doch mal ein paar Namen, die von ihm umgebracht wurden, Bruhns und Klein einmal ausgenommen.«

»Herr Henning, ich kenne Namen, aber ich werde mich hüten, sie Ihnen unter die Nase zu reiben. In dem Zustand, in dem Sie sich momentan befinden, würden Sie vermutlich nur etwas Unbedachtes mit diesem Wissen tun. Daran kann keinem von uns gelegen sein ...« »Dürfte ich bitte kurz mit meinem Kollegen unter vier Augen sprechen?«, sagte Santos.

»Selbstverständlich.« Albertz verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Santos legte Henning eine Hand auf die Schulter und sagte mit leiser Stimme: »Sören, hör auf, dich wie ein bockiges Kind zu benehmen. Albertz ist dabei, uns etwas zu erklären, worüber wir uns bisher nie Gedanken zu machen brauchten ...«

»Halt den Mund, halt einfach nur den Mund«, sagte Henning und entfernte sich ein paar Schritte von ihr. »Ich bin kein bockiges Kind, ich bin ein erwachsener Mann mit einem gereiften Verstand. Genau deshalb begreife ich nicht, wie man von einem Auftragskiller sprechen kann, als wäre er eine Art Heiliger! Und du widersprichst nicht mal, oder habe ich da was missverstanden? Da muss irgendwas an mir vorbeigegangen sein, dabei dachte ich, ich hätte schon in alle Abgründe geschaut.« Lisa antwortete ruhig: »Stell die Frage nicht mir, sondern Albertz. Ich bin sicher, er wird dir auf jede deiner Fragen eine Antwort geben, wenn du ihn lässt und wenn du deine Aggressionen unter Kontrolle hältst. Setz dich zu mir, hör einfach nur zu, stell gezielte Fragen, aber ohne diesen Henningschen Sarkasmus. Vielleicht begreifst du dann, dass es noch viel mehr Dinge in unserem Umfeld gibt, als wir bisher zu glauben gewagt haben. Gib Albertz diese Chance, sonst wird er uns mit einer Unzahl unbeantworteter Fragen zurücklassen, und das wäre für mich noch frustrierender als das, was ich bisher gehört habe. Bitte, halt dich ein bisschen zurück. Tu's mir zuliebe. Bitte.«

Henning zog die Stirn in Falten und meinte nach einer Weile des Überlegens: »Meinetwegen. Aber wirklich nur dir zuliebe.«

»Willst du denn gar nicht wissen, was hinter den Kulissen abläuft? Wer die Fäden in der Hand hält? Warum Auftragskiller engagiert werden, die so clever arbeiten, dass viele Morde wie Unfälle oder natürliche Tode aussehen? Ich habe das Gefühl, als beträten wir gerade eine völlig neue Welt, und ich will erfahren, wie ich darin überleben kann. Wir wissen jetzt schon mehr als die meisten unserer Kollegen, und das haben wir Albertz zu verdanken.« Sie zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Na ja, ich hoffe jedenfalls, dass es ein Vorteil ist und wir nicht wieder gelinkt werden. Nein, Albertz legt uns nicht rein, sonst hätte er sich nicht mit uns getroffen.«

»Ja, ja, ja, schon gut, Lisa. Hören wir uns an, was er noch zu sagen hat. Danach werde ich mir mein Urteil bilden.«

Santos ging zur Tür und sah Albertz rauchend im Flur stehen.

»Können wir fortfahren?«, fragte er lächelnd und steckte seine Zigarette in den mit Sand gefüllten Standaschenbecher. »Bitte.«

»Keine Fragen?«

»Nein, aber wir hätten gerne ein paar Informationen über den äußeren Kreis.«

»Im äußeren Kreis bewegen sich die sogenannten Sklaven, die Befehlsempfänger, so wie Friedmann und Müller. Sie bilden den Schutzwall für den inneren Kreis. Dort finden Sie Leute, die über eine unvorstellbare Macht verfügen. Macht, Einfluss, Geld - eine unheilvolle Symbiose. Es handelt sich zum größten Teil um Personen, die fast nie oder nur selten in den Medien erwähnt werden. Wenn über sie berichtet wird, dann nur Positives, sie treten als Wohltäter auf, als Schirmherren oder Mäzene. Natürlich zählen auch Politiker und Topmanager dazu, aber sie sind in der Minderheit, die meisten von ihnen gehören zum äußeren Kreis. Ich weiß, das klingt wieder wie eine Verschwörungstheorie, ist aber leider die Wahrheit ...«

»Und Ihre Organisation?«

»Was meinen Sie damit?«, fragte Albertz leicht ungehalten.

»Wo stehen Sie? Innen oder außen?«

»Sowohl als auch.«

»Und Sie ganz persönlich?«

Albertz nickte und sah Henning durchdringend an. »Was denken Sie?« »Gar nichts.«

»Gut, dann belassen wir's dabei ...«

»Ich denke, Sie gehören zum inneren Kreis«, warf Santos ein.

»Oh, das heißt, Sie trauen mir zu, zu den Entscheidern zu gehören. Das ehrt mich.«

»Damit haben Sie meine Frage nicht beantwortet«, sagte Santos lächelnd.

»Stimmt. Aber ganz ehrlich, ist es nicht unwichtig, ob ich zum äußeren oder inneren Kreis gehöre?«

»Nein, denn wenn ich Sie recht verstanden habe, sind die im äußeren Kreis reine Befehlsempfänger und ... Sklaven.

Sie erscheinen mir aber nicht wie ein Sklave, dazu haben Sie zu viel Insiderwissen. Sie gehören zum inneren Kreis, dort, wo die großen Entscheidungen getroffen werden.

Und ...«

»Frau Santos ...«

»Lassen Sie mich ausreden. Auch wenn ich nun wie eine Laienpsychologin klingen mag, so glaube ich, dass Sie ein für alle Mal einen Schlussstrich ziehen wollen ...« »Blödsinn! Jetzt hören Sie mir gut zu. Ich kann keinen Schlussstrich ziehen, ich muss warten, bis ich in Pension gehe, was noch ein paar Jährchen dauert. Das Einzige, was ich tue, ist, dass ich Ihnen ein paar vertrauliche Informationen an die Hand gebe in der Hoffnung, dass Sie sorgsam damit umgehen. Ich hätte vor zwanzig Jahren aussteigen sollen, als ich noch nicht über dieses Insiderwissen verfügte, aber irgendwann kommt man an diesen berühmten Point of no Return. Ich bin schon lange darüber hinaus, es gibt kein Zurück mehr. Ich bin kein Entscheider im klassischen Sinn, ich bin nur hin und wieder dabei, wenn Entscheidungen von großer Tragweite getroffen werden ...« »Was für Entscheidungen?« »Ich möchte Sie nicht noch mehr verwirren ...« »Zu spät, nun wollen wir alles wissen«, entgegnete Santos.

»Also gut. Zum Beispiel Entscheidungen über Kriegseinsätze, über Waffenlieferungen an Staaten, die auf der schwarzen Liste stehen, aber irgendwohin müssen die Waffen ja, sonst würden unsere Lager aus allen Nähten platzen. Außerdem gilt es auch, Arbeitsplätze in der Waffenindustrie zu erhalten. Oder wenn es um hochsensible Produkte geht wie Plutonium, angereichertes Uran oder Osmium, oder aber auch nur um schnöden Aluminium- und Nickelhandel. Auch wenn es sich um Menschen handelt, wobei Handel hier doppeldeutig zu verstehen ist. Und vieles, vieles mehr, wirtschaftliche Transaktionen von nationaler oder globaler Bedeutung. Sollten Sie der Auffassung sein, unsere Politiker würden allein die großen Entscheidungen treffen, muss ich Sie enttäuschen, die großen, die ganz großen Entscheidungen werden auf einer Ebene gefällt, zu der keiner von uns Zutritt hat. Ich erinnere nur an Waffenhändler und Geldwäscher, die nie juristisch belangt wurden, weil sie von einer Lobby unterstützt werden, die für die Justiz zu mächtig ist.

Erinnern Sie sich an den Bürgerkrieg in Sierra Leone? Dort ging es im Wesentlichen um Diamanten. Wer, glauben Sie, hat am meisten von diesem Krieg profitiert? Die dortigen Machthaber? Falsch, die haben zwar gutes Geld bekommen, aber die eigentlichen Profiteure waren wir und unsere Freunde im westlichen Ausland. Wir haben diesen und auch andere Kriege finanziert, die Menschen spielten dabei eine untergeordnete Rolle, sie waren nur Mittel zum Zweck. Bevor Sie sich wieder echauffieren, lassen Sie sich gesagt sein, dass es so seit Tausenden von Jahren läuft, ganz gleich, ob bei den alten Ägyptern, den Römern, Griechen oder anderen Kulturen. Die Geschichte wiederholt sich eben immer wieder, es ist ein ewiger Kreislauf. Warum ist das so? Weil die Menschen sich nicht verändern.«

»Und Frau Schumann?« Santos gab sich unbeeindruckt. »Sie diente lediglich als Vermittlerin.« »Das klang vorhin aber noch ganz anders. Sie ist die Einzige, die das Phantom kennt, das haben Sie selbst gesagt ...«

»Und? Was haben Sie vor? Wollen Sie den Namen aus ihr herausprügeln? Mit welcher Begründung würden Sie das tun? Wir haben gehört, dass Sie einen Auftragskiller kennen, der seit fünfundzwanzig Jahren auf der ganzen Welt Menschen umbringt? Der auch Ihren Mann umgebracht hat, in Ihrem Auftrag? Bitte, versuchen Sie Ihr Glück, aber welchen Beweis haben Sie schon? Nicht den geringsten, außerdem genießt sie sozusagen Immunität. Sie werden sie nie wegen einer Straftat belangen können, wie auch immer Sie es anstellen, es wird immer jemanden geben, der sie beschützt.« »So wie Sie«, bemerkte Santos lakonisch. »Zum Beispiel. Ich denke, unser Gespräch ist hiermit beendet, Sie haben genügend Informationen erhalten, um damit arbeiten zu können ...«

»Stopp«, wurde er von Henning unterbrochen, »was um alles in der Welt sollen wir denn tun?« »Kümmern Sie sich um Friedmann und Müller, aber seien Sie vorsichtig. Die beiden sind verdammt gefährlich. Wenn sie spitzkriegen, dass ihr Doppelspiel aufgeflogen ist, werden sie nicht zögern, die ihnen am bedrohlichsten erscheinenden Personen aus dem Weg zu räumen. Glauben Sie mir, die sind nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel.«

»Wunderbar. Heißt das, wir sollen die beiden umbringen?«

»Tun Sie, was getan werden muss. An das Phantom kommen Sie so oder so nicht ran. Aber Sie können diese Welt von zwei widerlichen Schmeißfliegen befreien.« »Wieso tun Sie's nicht?«

»Herr Henning, ich bin ein reiner Schreibtischtäter.« »Nein, nein, vergessen Sie's, wir lassen uns nicht vor Ihren Karren spannen und setzen dabei unser Leben aufs Spiel. Das mit Friedmann und Müller hat doch in der Vergangenheit wunderbar funktioniert, warum sollte man das System ändern?«

»Sie sind ein Zyniker vor dem Herrn, das imponiert mir. Die beiden haben Weidrich umgebracht, sie haben die Soko unterwandert und ... Nun, Sie haben Weidrich kennengelernt und wissen, dass er niemals Bruhns' Mörder gewesen sein kann. Auch ich weiß das. Denken Sie an meine Worte: Sie werden noch öfter mit Friedmann und Müller zu tun haben, denn die beiden haben Sie auf dem Kieker.«

»Wieso?«, fragte Henning mit zusammengekniffenen Augen.

»Weil eine Order so lautet. Sie werden beobachtet, denn man traut Ihnen nicht. Es heißt, Sie könnten gewisse Operationen gefährden.« »Wer sagt das?«

»Unwichtig. Zeigen Sie diesen Typen, dass Sie stärker und vor allem cleverer sind. Nun muss ich aber los. Lassen Sie uns vorher noch die Gläser abwaschen und in den Schrank stellen, um das Polizeisiegel kümmere ich mich.«

»Ich übernehme die Gläser«, sagte Santos und ging in die Küche.

Henning sagte: »Beantworten Sie mir bitte nur noch eine Frage: Wieso ausgerechnet Kinder?« »Darauf gibt es mehrere Antworten. Zum einen haben die werten Herren alles, was das Herz begehrt, und sind nun auf der Suche nach der Erfüllung ihrer geheimsten Wünsche, und das sind häufig Kinder. Zum Zweiten wollen sie unter allen Umständen ihren Trieb ausleben, sie haben verlernt, sich zurückzunehmen und zu mäßigen und die Menschenwürde zu achten. Und manche sind einfach nur verkommen. Das betrifft vor allem jene, die sich an Kindern vergehen. Kennen Sie den Fall des Kinderbordells Yvonne in Dresden? Politiker und andere honorige Bürger gingen dort ein und aus. Irgendwann flog die Sache durch einen dummen Zufall auf, aber bis heute gab es keinen Prozess, denn es wurde dafür gesorgt, dass wichtiges Beweismaterial vernichtet wurde. Die Eltern der Kinder wurden entweder mit Geld abgefunden oder, wenn sie nicht darauf eingingen, massiv eingeschüchtert. Einen ähnlichen Fall hatten wir vor einem Jahr auch hier in Kiel ...« »Davon weiß ich nichts.«

»Können Sie auch nicht, es wurde sofort der Deckel draufgemacht, und zwar von einem gewissen Staatsanwalt Rüter ...« »Rüter? Warum?«

»Warum wohl? Wie der Vater, so der Sohn. Nur dass der Sohn noch ein wenig ehrgeiziger ist, während der Vater in Berlin die Fäden zieht. Rüter ist enorm wichtig für die Organisation, für ihn ist sie so etwas wie eine zweite Familie. Er würde nie etwas tun, was der Firma schaden könnte. Im Gegenzug springt für ihn eine Menge dabei raus. Dresden und Kiel sind beileibe keine Einzelfälle, in ganz Deutschland gibt es diese Bordelle.« »Erzählen Sie mir mehr über Rüter«, forderte Henning Albertz auf.

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Sein Vater war Generalstaatsanwalt, bis er beschloss, sich stärker politisch zu engagieren. Er hat seinen Sohnemann gleich in die richtige Position gebracht... Die beiden arbeiten hervorragend zusammen. Ein echtes Dreamteam.« »Ich habe Sie das vorhin schon einmal gefragt und frage es jetzt noch einmal: Von wem haben Friedmann und Müller die Anweisung erhalten, Weidrich umzulegen? Nein, lassen Sie mich raten - es war Rüter. Stimmt's?«

»Möglich. Ich weiß es aber nicht, und das ist die Wahrheit. Ich traue Rüter jede Schweinerei zu. Die Anweisung kann auch aus unserem Haus gekommen sein. Ich müsste mich schlaumachen.« »Rüter ist auch für Sie tätig?«

»Legen Sie Ihren Tunnelblick ab, Herr Henning. Es gibt nicht diese Organisation und jene Organisation und diese Person und jene Person, es geht um Vernetzung. Natürlich ist Rüter auch für uns tätig, doch er trifft eigene Entscheidungen, die allerdings meist mit uns abgesprochen werden. Und um Ihre nächste Frage vorwegzunehmen, Rüter gehört zum inneren Kreis, genau wie sein Daddy. Damit dürfte alles klar sein.«

Santos kehrte mit den gespülten Gläsern zurück und stellte sie in den Schrank. »Gehen wir?«

»Gleich«, entgegnete Henning. »Das würde bedeuten, dass Rüter sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch beim LKA und bei uns Leute sitzen hat, die ihm bedingungslos gehorchen, wie zum Beispiel Friedmann und Müller.«

»Korrekt, aber ich kann Ihnen jetzt aus dem Stegreif keine Namen nennen. Tut mir leid.«

»Was wäre, wenn Rüter eliminiert würde? Wäre das ein harter Schlag gegen die Organisation?« »Herr Henning, ich rate Ihnen, diesen Gedanken gleich wieder zu verwerfen, Sie begeben sich in Teufels Küche.«

»Da sind wir doch ohnehin schon drin. Was würde passieren?«

»Man würde Sie jagen bis ans Ende der Welt, dafür würde schon sein alter Herr sorgen ...«

»Ich spreche doch nicht davon, dass wir Rüter kaltmachen ...«

»Egal wer, er wäre seines Lebens nicht mehr sicher. Rüter ist ein wesentlicher Bestandteil der Organisation. Die Verbindungen zur Staatsanwaltschaft, zum LKA und so weiter wären bis auf weiteres eingefroren. Bis man einen würdigen Nachfolger gefunden hätte. Wir hatten diesen Fall vor drei Jahren in Köln, und es dauerte immerhin drei Jahre, bis dort wieder alles im Lot war.« »Rüter. Ich wusste von Anfang an, dass mit dem Typen was nicht stimmt. Gehen wir, Lisa. Wiedersehen und danke für Ihre Kooperation.«

»Auf Wiedersehen, es war mir eine Ehre, Sie kennengelernt zu haben«, sagte Albertz, reichte erst Santos, dann Henning die Hand und begleitete sie zur Tür, holte ein Polizeisiegel aus seiner Jackentasche und klebte es exakt über das andere, nicht ohne vorher das Datum darauf vermerkt zu haben. Das Datum von Sonntag.

Henning und Santos gingen schweigend zum Wagen, stiegen ein, Henning startete den Motor und fuhr aus Schönberg heraus.

»Das war der Hammer«, sagte Santos. »Ich will jetzt nicht darüber reden, ich muss nachdenken«, brummte Henning. »Und worüber?«

»Sag ich dir morgen. Bitte, quatsch mich jetzt nicht voll, das hat schon Albertz übernommen. Nimm's nicht persönlich, ich bin einfach fertig.«

Für den Rest der Fahrt schwiegen sie, sie schwiegen, als sie am Haus anlangten und ausstiegen, sie schwiegen beim Treppensteigen und schwiegen, als sie sich für die Nacht fertigmachten. Zum ersten Mal, seit sie zusammen waren, wünschten sie sich nicht einmal eine gute Nacht, jeder drehte sich auf seine Seite, sie lagen Rücken an Rücken.

Mitten in der Nacht stand Henning auf, nahm eine Flasche Wasser aus der Kiste neben dem Kühlschrank, schraubte den Verschluss ab und setzte sich ins Wohnzimmer. Er trank einen langen Schluck, stellte die Flasche auf den Boden neben sich und vergrub den Kopf in den Händen. Er konnte nicht begreifen, dass er und Santos schon wieder in einen Fall verwickelt waren, der sie an und für sich nichts anging. Ihm schien, als zögen sie das Unglück magisch an. Es war doch nur ein Mord an einem Prominenten und seiner Geliebten gewesen, doch auf einmal steckten sie wieder mitten im organisierten Verbrechen. In diesem Moment hasste er seinen Job - und das nicht zum ersten Mal.

 

Eisige Naehe
titlepage.xhtml
jacket.xhtml
Eisige Naehe_split_000.html
Eisige Naehe_split_001.html
Eisige Naehe_split_002.html
Eisige Naehe_split_003.html
Eisige Naehe_split_004.html
Eisige Naehe_split_005.html
Eisige Naehe_split_006.html
Eisige Naehe_split_007.html
Eisige Naehe_split_008.html
Eisige Naehe_split_009.html
Eisige Naehe_split_010.html
Eisige Naehe_split_011.html
Eisige Naehe_split_012.html
Eisige Naehe_split_013.html
Eisige Naehe_split_014.html
Eisige Naehe_split_015.html
Eisige Naehe_split_016.html
Eisige Naehe_split_017.html
Eisige Naehe_split_018.html
Eisige Naehe_split_019.html
Eisige Naehe_split_020.html
Eisige Naehe_split_021.html
Eisige Naehe_split_022.html
Eisige Naehe_split_023.html
Eisige Naehe_split_024.html
Eisige Naehe_split_025.html
Eisige Naehe_split_026.html
Eisige Naehe_split_027.html
Eisige Naehe_split_028.html
Eisige Naehe_split_029.html
Eisige Naehe_split_030.html
Eisige Naehe_split_031.html
Eisige Naehe_split_032.html
Eisige Naehe_split_033.html
Eisige Naehe_split_034.html
Eisige Naehe_split_035.html
Eisige Naehe_split_036.html
Eisige Naehe_split_037.html
Eisige Naehe_split_038.html
Eisige Naehe_split_039.html
Eisige Naehe_split_040.html
Eisige Naehe_split_041.html
Eisige Naehe_split_042.html
Eisige Naehe_split_043.html
Eisige Naehe_split_044.html
Eisige Naehe_split_045.html
Eisige Naehe_split_046.html
Eisige Naehe_split_047.html
Eisige Naehe_split_048.html
Eisige Naehe_split_049.html
Eisige Naehe_split_050.html
Eisige Naehe_split_051.html
Eisige Naehe_split_052.html
Eisige Naehe_split_053.html
Eisige Naehe_split_054.html
Eisige Naehe_split_055.html
Eisige Naehe_split_056.html
Eisige Naehe_split_057.html
Eisige Naehe_split_058.html